TINNITUS

Ohrgeräusche gibt es seit Menschengedenken. Ägyptische Quellen berichten schon davon. Fast jede Generation hat sich eine Erklärung für das Phänomen zurechtgelegt. Von Martin Luther wird berichtet, er habe es dem Teufel zugeschrieben, und er soll der Legende nach mit einem Tintenfass nach dem Unhold geworfen haben. Geholfen hat diese Behandlungsmethode wohl eher nicht.

Heute wissen wir, dass Ohrgeräusche ganz überwiegend durch einen Schaden an den empfindlichen Nervenzellen im Innenohr, den Haarzellen, verursacht werden.

Das eigentliche Problem damit spielt sich in unserer Wahrnehmung ab. Längst nicht jedes Ohrgeräusch führt zu einem Leiden. So weit so gut, aber was ist mit den Personen, die eben doch unter ihrem Ohrgeräusch leiden? Immerhin haben sich die Behandlungsmöglichkeiten mit den Jahren verbessert.

Auch wenn es den berühmten „Ausschalter“ nicht gibt, nicht eimal geben kann, gelingt es in nahezu allen Fällen das Leiden zumindest zu lindern.

Tinnitus, was ist das?

Das Wort Tinnitus entstammt dem Lateinischen und bedeutet Ohrgeräusche. Fast jeder kennt gelegentlich auftretende Ohrgeräusche, zum Beispiel nach einem lauten Konzert oder als ein Rauschen in einem ruhigen Raum. Ein kurzzeitiges Pfeifen eines Ohres ist auch vielen Menschen bekannt. Dies Pfeifen ist normalerweise harmlos und dauert selten länger als eine Minute. Ohrgeräusche können von Mensch zu Mensch ganz verschieden klingen, beispielsweise als Rauschen, Pfeifen, Klingeln oder Brummen. Auch die Lautheit, mit der diese Geräusche wahrgenommen werden, ist unterschiedlich und abhängig von der umgebenden Geräuschkulisse. Man bezeichnet Ohrgeräusche manchmal als subjektiven Tinnitus. Damit will man ausdrücken, dass nur der Betroffene diese Geräusche wahrnimmt, anderen Personen bleibt die Wahrnehmung dieser Geräusche verschlossen. Ebenso wenig wie man Schmerz messen kann, ist es auch nicht möglich ein Ohrgeräusch objektiv zu messen.

Ohrgeräusche sind zwar meistens kurzfristige Ereignisse. Sie können aber auch dauerhaft auftreten, und dann erlangen sie nicht selten Krankheitswert. Das Gefühl, nie mehr den Geräuschen entkommen zu können, löst bei vielen Betroffenen Angst aus und führt zu Schlaf- und Konzentrationsstörungen. Sogar Depressionen können in der Folge auftreten, manchmal mit schweren sozialen Beeinträchtigungen.

Akut oder chronisch – was ist damit gemeint?

Die Antwort scheint einfach zu sein, sie ist es aber doch nicht. Ein erstmals auftretender anhaltender Tinnitus wird unabhängig von seiner Ursache als akut bezeichnet. So weit so gut. In bestimmten Fällen kann aber ein erstmals „bemerkter“ Tinnitus bereits chronisch sein. Das erscheint verwirrend.

Akut heißt, so belehrt uns der Duden, heftig unvermittelt auftretend. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn ein Tinnitus durch eine Schädigung der Sinneszellen im Innenohr ausgelöst durch einen Knall oder Lärm auftritt. Hier sind das schädigende Ereignis und der Schadenszeitpunkt bekannt. Eine Zeitlang besteht die Chance, dass sich das Gehör spontan erholt. Außerdem kann die Erholung durch medizinische Maßnahmen gefördert werden.

Wie lange die akute Phase dauert, vermag niemand genau anzugeben. Die Chancen auf eine Erholung des Gehörs verschlechtern sich jedenfalls nach wenigen Wochen. Nach drei Monaten bestehen kaum noch Aussichten den Schaden zu reparieren. Dann bleiben die organischen Grundvoraussetzungen für die Wahrnehmung eines Ohrgeräusches bestehen. Gemeint ist in diesem Beispiel der Schaden an den Sinneszellen. Damit wird aus einem akuten Tinnitus ein chronischer.

Aber nicht immer ist es ein spektakuläres Ereignis, das einen Schaden an den Sinneszellen des Innenohres, den so genannten Haarzellen, verursacht. Ein Schaden kann sich auch Schritt für Schritt über einen langen Zeitraum entwickeln. Irgendwann wird der Betroffene in stiller Umgebung dann auf ein Geräusch aufmerksam und meint naturgemäß, dass der Zeitpunkt der Entdeckung auch der des Schadenseintrittes gewesen sei. Meistens dauert es auch noch eine gewisse Weile bis ein Arzt aufgesucht wird. Dann kann schon von Anfang an ein Tinnitus chronisch sein.

Die zwei häufigsten Ursachen für einen Tinnitus

1. Lärm

Lärm ist eine sehr häufige Ursache für einen Innenohrschaden. Wirkt Lärm mit hoher Intensität ( > 85 dB ) einige Stunden auf das Ohr ein, kommt es zu einer Hörstörung. Beispielsweise kann ein Diskoaufenthalt zu einer Hörermüdung führen, die nicht selten von einem Rauschen oder Brausen begleitet ist. Meist verschwindet diese Störung über Nacht wieder, aber nicht immer.

Wirkt Lärm mit hoher Intensität lange Zeit ununterbrochen auf das Ohr ein, kommt es zu einer bleibenden Schädigung der Sinneszellen im Innenohr, bzw. zu deren Untergang.

Auch ein einmaliges Schallereignis kann zu einer Schädigung des Innenohres führen, wenn der Schallpegel hoch genug ist. Als Beispiel seien Schüsse und Knallkörper angeführt, die leicht Schallpegel von 200 dB und mehr erreichen.

Ein sehr hoher Schalldruck wirkt überwiegend mechanisch zerstörend auf die Haarzellen, eine lang anhaltende Lärmbelastung führt hingegen zu Stoffwechselstörungen in den Sinneszellen aufgrund einer Verarmung an Sauerstoff. Das kann eine Funktionsstörung oder sogar den Untergang der Sinneszellen bewirken. Das wiederum ist eine wesentliche Bedingung für die Entwicklung eines Tinnitus.

2. Hörsturz

Unter einem Hörsturz versteht man das plötzliche „schlechter Hören“ auf einem Ohr. Sehr häufig ist so ein Ereignis nicht nur mit verschlechterter Wahrnehmung verbunden, sondern auch mit Ohrgeräuschen in Form von Brummen, Zischen, Rauschen oder auch Pfeifen. Es kann sich dazu ein Druckgefühl auf dem Ohr einstellen. Auch Kopfschmerzen und Schwindel können Begleiter der Symptomatik sein.

Ein Hörsturz ist grundsätzlich zu jeder Zeit möglich. Auffällig ist aber, dass zahlreiche Patienten morgens damit wach werden. Man nimmt an, dass eine funktionelle Durchblutungsstörung die Ursache dafür ist. Eine weitere auffällige Häufung solcher Ereignisse findet sich in Verbindung mit Stress-Situationen. Auch Infekte des HNO Gebietes scheinen ein Risiko für die Entwicklung eines Hörsturzes zu sein.

Normalerweise ist ein Hörsturz ein einmaliges und einseitiges Ereignis. Aber es gibt Ausnahmen von dieser Regel. Praktisch immer besteht neben einem Hörsturz ein Ohrgeräusch, aber durchaus nicht immer entwickelt sich eine Tinnituskrankheit daraus.

Was hilft?

Das kommt darauf an, ob ein akuter oder ein chronischer Tinnitus vorliegt.
Ein akuter Tinnitus signalisiert einen möglichen Schaden der Sinneszellen (Haarzellen) des Innenohres. Ob ein Schaden an den Haarzellen entstanden ist, lässt sich durch eine Untersuchung klären. Anhaltende Ohrgeräusche sollten daraufhin überprüft werden, und zwar möglichst bald.

Es gibt kein Medikament, das in der Lage wäre, eine zerstörte Haarzelle zu ersetzen. Nervenzellen wachsen nicht nach. Dieses biologische Gesetz gilt es zu berücksichtigen.

Glücklicherweise haben Haarzellen eine erstaunliche Fähigkeit sich von einer Schädigung wieder zu erholen. Das einfachste Beispiel ist die oben schon erwähnte Hörermüdung nach einem Diskoaufenthalt. Am nächsten Morgen ist normalerweise alles wieder gut. Auch bei einem Hörsturz sind die Haarzellen nicht von vornherein verloren. Das drückt sich schon in der spontanen Erholung aus. Etwa 40 bis 60 % der betroffenen Patienten dürfen damit rechnen, dass sich ihr Gehör wieder erholt, ganz ohne irgend ein zutun. Das ist sicher tröstlich, beinhaltet aber einen erheblichen Unsicherheitsfaktor, weil niemand in der Lage ist sicher vorherzusagen, ob man zu den Glücklichen zählt oder nicht.

Verständlicherweise widerstrebt es jedem Patienten und vielen Therapeuten einfach die Hände in den Schoß zu legen und abzuwarten. Vielmehr stellt sich doch die Frage, ob nicht irgend eine Möglichkeit besteht, die Erholung der Haarzellen zu fördern. Es hat nicht an Versuchen dazu gefehlt. Leider waren die Erfolge nicht gerade überwältigend.

Am erfolgreichsten ist die Strategie, die Durchblutung des Innenohres zu fördern. Dazu stehen verschiedene Medikamente und/oder Infusionen zur Verfügung. Am bekanntesten ist vielleicht die Substanz Pentoxifyllin, die es unter verschiedenen Handelsnamen gibt. Manchmal kommt auch ein physikalisches Verfahren in Betracht, um die Sauerstoffsättigung im Innenohr zu verbessern, die hyperbare Sauerstofftherapie (HBO).

Während es beim akuten Tinnitus um den Organerhalt geht, steht beim chronischen Tinnitus die psychische Stabilisierung ganz im Vordergrund. Die Behandlung soll den Betroffenen unterstützen, zu lernen mit seinen Ohrgeräuschen zu leben. Nicht gemeint ist ein passives duldendes Erleiden, sondern die aktive Auseinandersetzung mit dem Symptom. Die Therapie soll den Betroffenen dabei unterstützen, seinen Tinnitus zu akzeptieren. Häufig werden die Ohrgeräusche selbst bei subjektiv gleich bleibender Lautstärke dann als weniger störend empfunden.

Übrigens, noch lange nicht jeder, der ein Ohrgeräusch hört, ist deshalb krank, oder bräuchte unbedingt ärztliche Hilfe. Viele Menschen suchen nie einen Arzt auf, obwohl Sie Ohrgeräusche haben. Sie haben meist von Anfang an spontan gelernt damit umzugehen, das Ohrgeräusch nicht als einen Feind zu betrachten, den es zu erschlagen gilt, sondern eher als unbedeutendes Hintergrundgeräusch. Das mag auch damit zu tun haben, dass die Lautstärke unterschiedlich empfunden werden kann. Unsere Empfindungen werden aber in erheblichem Maß von unseren Erfahrungen und Einstellungen beeinflusst.

Dazu ein Beispiel. In der Nacht um 4.00 Uhr ist ein Zahnschmerz beinahe unerträglich. Am Morgen um 08.00 Uhr im Zahnarztstuhl scheinen die Beschwerden fast wie weggeblasen.

Der nächtliche Tinnitus kann genauso unerträglich sein und tagsüber geht es dann eigentlich.

Tinnitus Patienten neigen häufig dazu, jede Minute mit Aktivität zu füllen, um möglichst selten mit sich und ihren Ohrgeräuschen allein zu sein. Entspannung und Ruhe bedeuten für Sie vor allem, den Tinnitus in seiner vollen Lautheit ertragen zu müssen. Doch vor den Geräuschen zu fliehen hat keinen Sinn. Erst, wer sich eine Zeitlang selbst zuhört, der kann sich an Geräusche gewöhnen und lernen sie zu ignorieren. Diesen Effekt des Hörüberdrusses kennt jeder, der an einer Bahnlinie wohnt. In regelmäßigen Abständen brausen Züge am Fenster vorbei und das stört allenfalls die Gäste; der Wohnungsinhaber hat sich an diese Geräusche gewöhnt. Sie stören ihn nicht mehr.

Gewöhnen kann man sich an ein Geräusch aber nur, wenn man nicht dauernd vor ihm auf der Flucht ist. Eine Hilfe dabei sind Entspannungsübungen. Negative Gefühle wie Wut oder Verärgerung können so leichter gedämpft werden. Es gilt die Einstellung zur Tinnituswahrnehmung zu ändern oder besser umzuprogrammieren von negativ auf positiv oder zumindest auf neutral. Hilfreich ist das Erlernen von Entspannungstechniken wie zum Beispiel Autogenes Training oder progressive Muskelentspannung. Das macht man am besten in einer Gruppe und unter fachlicher Leitung. Ein bisschen Geduld gehört aber dazu, diese Techniken kann man nicht in 10 Minuten lernen.

Für viele Patienten mit einem chronischen Tinnitus ist das erste Jahr besonders schlimm. Es fällt Ihnen schwer zu akzeptieren, dass sie vielleicht lebenslang von Ohrgeräuschen begleitet werden, ohne dass ein Therapeut mit irgend einem Mittel die Geräusche einfach ausknipsen könnte. Die Folge davon sind nicht selten psychische oder psychosomatische Erkrankungen. Hier ist fachliche Hilfe angebracht, sei sie ambulant oder stationär oder auch beides.

Aber immerhin darf man festhalten, dass die Prognose so schlecht nicht ist, selbst in schweren Fällen kann man helfen, und man kann mit Recht jedem Patienten versprechen ganz so schlimm, wie vielleicht am Anfang, bleibt es nicht. Wie gut es wird, hängt aber auch vom Betroffenen selbst ab. Wer psychologische Hilfen von vornherein ablehnt und Tinnitus als ein rein technisches Problem betrachtet, wird es schwer haben.

Was bringen technische Hilfen?

Hörgeräte und Masker haben in bestimmten Fällen einen Platz im Therapiekonzept.

Hörgeräte, das ist bekannt, verstärken äußere Geräusche. Ihr Träger kann unter bestimmten Voraussetzungen beispielsweise Sprache besser verstehen. Auch Umgebungsgeräusche lassen sich damit verstärken und werden wieder wahrnehmbar. Das kann den Tinnitus zeitweise überdecken und wird besonders in der Anfangsphase eines Tinnitusleidens als angenehm empfunden. Auch Patienten, die eigentlich noch nicht zwingend ein Hörgerät bräuchten profitieren von der Doppelwirkung eines Hörgerätes.

Der Masker sieht aus wie ein Hörgerät, hat aber eine andere Funktion. Seine Aufgabe ist es ein Rauschen zu produzieren mit dem der Tinnitus ganz oder teilweise überdeckt werden kann. Dieses Rauschen ist für einen kleinen Teil der Patienten angenehmer zu ertragen, als die eigenen Ohrgeräusche. Der erfolgreiche Einsatz eines Masker ist allerdings in erheblichem Maß verknüpft an eine begleitende Beratung.

Es gibt auch Geräte, die beides in sich vereinen, Hörgerät und Masker. Diese technischen Hilfsmittel sind wie der Name schon sagt Hilfsmittel, sie geben eben Hilfestellung. Ausknipsen können sie einen Tinnitus nicht.

Tinnitus Kliniken, was machen die eigentlich?

Eines jedenfalls nicht, hier wird kein Tinnitus weg operiert. Es geht vielmehr darum in konzentrierter Form bei der Bewältigung der Schwierigkeiten, die mit einem chronischen Tinnitus einher gehen, zu helfen. Allein schon die Herausnahme des Betroffenen aus seiner Alltagsumgebung und die Begegnung mit anderen Tinnitus-Patienten kann helfen, den eigenen Tinnitus nicht mehr so bedrohlich erscheinen zu lassen. Wichtig ist auch eine möglichst umfassende Information über das Symptom Tinnitus. Damit können unterschwellige Ängste – beispielsweise vor Hirntumoren – abgebaut werden. Neben einer allgemein gesunden Lebensweise wird viel Wert auf Entspannung gelegt. Fast immer werden Entspannungsmethoden auch eingeübt. Regelmäßig finden psychotherapeutische Sitzungen statt, teilweise in Form von Gruppenarbeit zum Teil auch als Einzelgespräche.

Was ist Retraining?

Retraining steht für Tinnitus-Retraining-Therapie, abgekürzt TRT. Das Wort „Retraining“ beinhaltet zwei Wurzeln, die Vorsilbe „Re“, was soviel heißt wie zurück und „Training“. Im Zusammenhang mit einem Ohrgeräusch ist mit dem Wort Training aber nichts sportliches gemeint. Durch die ständige Auseinandersetzung mit dem Tinnitus kommt es zu einer zunehmenden emotionalen Belastung. Ein unwichtiges Geräusch, und das ist ein Ohrgeräusch im Grunde genommen, kann zum Teil recht schnell einen überbetonten Stellenwert bekommen, ein Vorgang, der sich im Gehirn abspielt, und zwar unabhängig davon, ob ein Schaden im Innenohr vorliegt oder nicht. Normalerweise werden unwichtige Geräusche vom Gehirn auch als unwichtig eingestuft. Gerät aber dieser Bewertungsmechanismus beispielsweise durch Stress aus den Fugen, wird ein Ohrgeräusch so dominierend, dass eine Tinnituskrankheit entstehen kann. Verschiedene Symptome können die Folge sein, Konzentrationsstörungen, Schlafstörungen, Ängste und Depressionen.

Die TRT ist ein Behandlungskonzept, das versucht diesen Bewertungs-Mechanismus im Gehirn wieder umzukehren, gewissermaßen zurück zu trainieren. Die Therapie besteht hauptsächlich aus folgenden Elementen:

  • Aufklärung und Beratung zum Symptom chronischer Tinnitus
  • Entspannungstechniken zur besseren Stressbewältigung
  • Psychotherapeutische Begleitung

Unter einem Hörsturz versteht man die plötzliche vollständige oder teilweise Hörminderung auf einem Ohr, selten auf beiden Ohren zugleich, die gewöhnlich mit Ohrgeräuschen verbunden ist. Warten Sie nicht lange, suchen Sie bei nächster Gelegenheit Ihren Haus- oder HNO-Arzt auf. Soweit Sie privat versichert sind könen Sie uns auch direkt aufsuchen, sonst empfehlen wir eine Kontaktaufnahme über unsere Kassenpraxis. Neu aufgetretene Ohrgeräusche oder eine Hörminderung sind ein „Eilfall“, aber kein „Notfall“. Je früher man untersuchen und behandeln kann, umso besser sind die Heilungsaussichten.

Gehen Hörsturz und Tinnitus nicht manchmal von alleine weg? Schon möglich, es gibt eine Spontanheilungsrate. Aber darauf sollten Sie sich nicht verlassen. Über Heilungsaussichten oder Besserungsmöglichkeiten existieren unterschiedliche Expertenmeinungen. Das ist an sich kein Wunder, weil es unterschiedliche Schweregrade gibt. Elke Knör, die Präsidentin der deutschen Tinnitusliga, ist der Meinung, dass die Spontanheilungsrate oft zu hoch angesetzt wird.

Guter Rat ist billig. Eine neu aufgetretene Hörminderung (Hörsturz) oder neu aufgetretene Ohrgeräusche sollte man besser nicht ignorieren, sondern untersuchen lassen. Eine gefährliche Erkrankung steckt nur selten dahinter, glücklicherweise. Die Lebensqualität kann aber sehr leiden, und die besten Behandlungsmöglichkeiten gibt es zu Anfang.

In der akuten Phase kommen hauptsächliche folgende Standard-Behandlungsmöglichkeiten zur Anwendung: durchblutungsfördernde Medikamente und Cortison. Erfolgreich können auch bestimmte Infusionen sein , z.B. mit HAES, die allerdings wegen gesetzlicher Regelungen der sozialversicherte Patient selber tragen muss. Oft ist damit eine gute Besserung der Symptone zu erreichen. Als weitergehendes Verfahren kommt die hyperbare Sauerstofftherapie in Betracht. Schließlich können Antioxidantien (bestimmte Vitamine) in das Therapiekonzept einbezogen werden.

„Damit müssen Sie leben“ hören Patienten gelegentlich von ihrem Therapeuten, der vielleicht der Meinung ist, dass sich eine weitergehende Behandlung nicht lohnt, weil die HBO nicht von den gesetzlichen Krankenkassen getragen wird. Mit der HBO bestehen aber immer noch Chancen die Beschwerden zu vermindern. Informieren Sie sich und treffen selbst die Entscheidung.

Die Tinnitusforschung hat inzwischen klären können, dass ein Hörsturz mit Ohrgeräuschene die Folge einer gestörten Funktion der Nervenzellen im Innenohr ist. Die Ursache ist eine gestörte Durchblutung bzw. ein Sauerstoffmangel im Innenohr. Ein Ersatz abgestorbener Nervenzellen ist in absehbarer Zukunft nicht möglich. Umso wichtiger ist es, Störungen der Nervenzellfunktion entschlossen entgegenzutreten.

Es schadet dem Auge, wenn man ohne Schutz in die Sonne schaut, das ist eine Binsenweisheit. Lärm, ist für die empfindlichen Nervenzellen im Innenohr ähnlich schädlich. Eine Explosion, oder ein stundenlang anhaltender Lärmpegel über 85 Dezibel, können zu einem Funktionsausfall dieser Nervenzellen führen. Betroffen sind vor allem die Nervenzellen, die am Anfang der Gehörschnecke liegen. Das schadet der Wahrnehmung hoher Töne und sorgt für einen hochfrequenten Tinnitus.

Dieser Funktionsausfall heilt über Nacht oft von selbst. Die Sinneszellen in der Gehörschnecke haben eine erstaunliche Fähigkeit sich zu erholen. Jugendliche kennen das, nach einer Diskonacht rauscht und pfeift es recht kräftig, aber am nächsten Morgen ist es wieder besser. Das geschieht leider nicht immer und nicht immer vollständig. In diesem Stadium gibt es noch verhältnismäßig gute Aussichten zu behandeln. Ignoriert man das, dann wird es zunehmend schwieriger einen befriedigenden Therapieerfolg zu erzielen. Nach drei Monaten ist kaum noch mit einer organischen Besserung zu rechnen. Dann sprechen wir von einem chonischen durch Lärm verursachten Tinnitus.

Eine Tinnitusbehandlung kann eine Herausforderung sein, für den Patienten und für den Therapeuten. Der Anspruch des Betroffenen ist recht einfach zu formulieren: „Bitte ausschalten.“ Aber so einfach ist das nicht. Immerhin, manchmal gelingt es. Unzählige erfolglose Versuche sind bekannt, das Leiden zu behandeln, angefangen von Ohrkerzen über Akupunktur bis zu homöopathischen Arzneien, um nur einige Wenige zu benennen.

Inzwischen wissen wir mehr über die Entstehung des Phänomens und unterscheiden zwischen akuten und chronischen Fällen. In akuten Fällen können Behandlungen, die auf eine Verbesserung der Nervenzellfunktion im Innenohr zielen, hilfreich sein. Dazu gehören rheologische Infusionen, Medikamente und HBO. Bei chronischem Tinnitus kommen diese Verfahren nicht mehr in Betracht, hier liegt das Schwergewicht auf einem Umprogrammieren der Wahrnehmung.

Am Anfang jeder Therapie stehen aber die organische Diagnose und die Einschätzung der Lautheit. Lautheit darf nicht verwechselt werden mit Lautstärke. Die Lautstärke kann man mit einem geeigneten Gerät in Phon (Schalldruckpegel) messen. Unter Lautheit versteht man eine psychoakustische Größe. Folgendes Beispiel mag zur Erläuterung dienen: Der Presslufthammer vor dem Schlafzimmerfenster kann den Schlaf genau so unmöglich machen, wie der tropfende Wasserhahn im Badezimmer.

Der nächste Schritt ist das Counseling. Dies von H. Feldmann entwickelte Verfahren erläutert dem Betroffenen konkret und in allen Einzelheiten das individuelle Problem und hat zum Ziel Verständnis zu wecken und den Patienten in die Lage zu versetzen, die nächsten therapeutischen Schritte zu verstehen, ein therapeutisches Ziel zu formulieren und Ängste abzubauen.

Zugegeben, das ist nicht in wenigen Minuten zu erreichen, aber es lohnt sich, und …wir nehmen uns Zeit dafür. Erst danach planen wir gemeinsam das Behandlungsziel und die nächsten Schritte.